Tief folgt auf Hoch

Dies ist mein erster Beitrag zur Kategorie „Innenreise“. Denn wenn du genau geschaut hast, hast du vielleicht schon bemerkt, dass dieser Blog in Außen– und Innenreise aufgeteilt ist. Diese Innenreise können wir überall auf der Welt vornehmen. Es ist das In-uns-hineinschauen, was Mut braucht und Aufmerksamkeit. So können wir auch innere Welten erkunden und mit dem nötigen Bewusstsein einiges über uns selbst lernen.

Fehler sind auch nur Erfahrungen

Wenn ich so zurückdenke an meine erste große Reise, ist dieses Mal so vieles anders. Ich sehe Dinge bunter, mir fallen all die Pflanzen auf, die ich vor 4 Jahren noch nicht kannte. Ich gehe viel entspannter mit dem Lauf der Dinge um und kann deutlich mehr genießen. Und das tue ich auch schon seit über zwei Wochen. Heute ist der 19. Tag meiner Reise und ich habe jetzt das erste nennenswerte Tief erlebt. Alles begann bei der Schnorcheltour, bei der ich mich entschied, mit dem (wasserfesten) iPhone Unterwasservideos zu filmen. Wie sich herausstellte, war es das nicht. Jedoch begann erst nach drei Tagen das Display zu flackern, bis es ganz schwarz wurde. Ich bekam Angst, als mir einfiel, dass ich mit dem Handy auch auf meine Konten zugreifen kann bzw. muss. Und ohne funktionierenden Bildschirm konnte ich kein neues iPhone mit den alten Daten bespielen.

Ich spürte aber nicht nur Unsicherheit wegen der Konten, sondern auch wegen der fehlenden Verbindung zu meinen liebsten Menschen, sprich Whatsapp und Instagram. Dieses Gefühl bewusst wahrzunehmen, freute mich nicht so sehr. Ich fühlte mich abhängig von meinem Handy, dabei nutzte ich die Reise extra, um mal davon wegzukommen. 

Früher hätte ich mich verflucht für die „dumme“ Idee, mich nicht wenigstens vorher kurz zu vergewissern, ob das Handy wirklich für Schnorcheltrips geeignet ist. Ich staune und bin froh über mich, wie ich heute damit umgehen kann. Ich sage mir: Diese Erfahrung (und ich spreche explizit nicht von einem Fehler) kostete mich 180 Euro. Ist sicher kein originales Ersatzteil. Und die Face ID funktioniert auch nicht mehr. Aber ich bin viel froher darüber, dass es repariert werden konnte, als dass ich mich ärgere, dass es nun nicht mehr zu 100% funktioniert.

Ich umarme diese Tiefphase regelrecht. Ich weiß, dass es dazugehört, sowohl zum Leben, als auch zu einer Reise. Ich hatte in der Phase nie überwältigende Angst in mir, die mich nicht mehr klar denken ließ. Es war eher ein Anschein von Sorge, was geschehen könnte, wenn es am Ende nicht gut wird. Und da ich das nicht beeinflussen konnte, ließ ich es schnell los.

Die Angst (fast) alles zu verlieren

Beigetragen zu dem bedrückenden Gefühl hat übrigens auch die Tatsache, dass während der Fahrt zur Mall (um mein Handy zu reparieren) mein wertvoller Rucksack mit vollständigem Fotoequipment in einem Hostel stand, von dem ich nicht einmal den Namen kannte. In diesem gingen Dutzende Reisende ein und aus und der Rucksack stand einfach mit anderen Koffern und Rucksäcken in einer Ecke. 

Diese Angst, dass mein Backpack abhandenkommt, habe ich schon länger. Letztes Mal war der Rucksackinhalt einfach nicht so viel wert. Wenn es keine Reisegepäckversicherungen gibt, die den Wert bei Verlust oder Diebstahl zu 100% abdecken, dann heißt es in solchen Momenten, ganz stark hoffen und dem Leben vertrauen. Vielleicht warst du noch nie in Südostasien reisen oder auf einem anderen Kontinent. Ich möchte deshalb betonen, dass man recht schnell merkt, dass die Sachen hier sicher sind. Klar, es gibt immer schwarze Schafe, aber ich mache mir jeden Tag bewusst, dass alle hier ihren Weg gehen, ihre Reise fortführen wollen und genauso darauf hoffen, dass niemand etwas klaut. „Wenn jeder auf sich schaut, ist für alle gesorgt“, heißt es doch so schön. Und mir ist auch damals in 500 Tagen nie so etwas passiert. Ich ziehe den Schluss, dass ich wieder deutlich mehr vertrauen darf, aber auch nicht rücksichtlos alles irgendwo liegen lasse.

Was hilft in solchen Momenten

  • Ich erzählte meiner Freundin, wie es mir ging, kurz bevor das Handy repariert war, und schon fühlte ich mich deutlich leichter. Kurz darauf kam der Anruf, dass es fertig ist. Damit möchte ich sagen: Wenn du weit entfernt von deinen lieben Mitmenschen irgendwelchen Problemen gegenüberstehst, wird es dir niemand böse nehmen, wenn du deine Last auch mal mit-teilst.
  • Was ich auch nur empfehlen kann, ist tiefes Durchatmen. Das klingt so bescheuert, aber es unterbricht für einen kurzen Moment den Gedankenstrom, der sich möglicherweise auf ein tiefes dunkles Loch zubewegt.
  • Ein Problem wird nur dann größer, wenn wir all unsere Energie darauf fokussieren. Atmen wir kurz durch, können wir den Blickwinkel ändern, uns von unserem Problem distanzieren und es mal logisch oder sachlich betrachten.
  • Die Frage: Was ist das Schlimmste, was mir passieren kann? Sie bewirkt wahre Wunder – zumindest bei mir. Werde ich sterben, wenn das Handy nicht funktioniert? Nein! Werde ich krank? Nein! Es würde bedeuten, dass ich Geld ausgeben muss, dass ich im schlimmsten Fall bürokratischen Kram zu erledigen habe. Und das ist für ein Universum sicherlich das kleinste Problem. Solange ich also meine Kreditkarten und meinen Reisepass habe, wird mir nichts Schlimmes geschehen. Somit komme ich aus dem Strudel, der mich vor Jahren in die Tiefe gezogen hätte.

Natürlich folgt auf ein Tief auch wieder ein Hoch. Das stelle ich gar nicht in Frage. Ich genieße weiterhin diese Länder, diese Menschen, diese Landschaft und diese Pflanzenwelt. Ich genieße das Essen, die Kulturen und alles, was anders ist als in Deutschland. Ich genieße die Hitze und die Klimaanlagen, das komfortable Reisen und das anstrengende. Ich nehme den Gestank der Straßen in mir auf, genauso wie den lieblichen Duft der Plumeria. All das ist Leben. Und noch nie habe ich mich mehr identifiziert mit dem Leitsatz „Mal eben leben“ als jetzt.

Zusatz

Ich wundere mich, dass mir der Regen hier absolut nichts ausmacht. Ich glaube, selbst wenn es grau und trüb ist, sind immer eine Menge grüner Pflanzen in der Umgebung. Diese Farbe hilft mir bestimmt, stets eine positive Einstellung zu bewahren. Es ist ja selbst mit Regen noch sehr warm. Ich weiß nur, dass mich das Grau des Herbstes und Winters in Deutschland immer sehr mürbe und träge macht. Es ist der erste Winter, den ich absichtlich im Warmen verbringe und ich finde die Idee echt klasse!

Wie gehst du mit Ängsten um? Hast du bereits einen Weg gefunden, dich aus den Schlingen eines Angststrudels herauszuwinden? Lass es mich und andere wissen! Es hilft sicher dem ein oder anderen.

4 Gedanken zu “Tief folgt auf Hoch

  1. Ganz prima Beitrag. Auch ich sehe es mittlerweile genau so. Wie wichtig bewusstes Atmen ist, weiß man erst, wenn man es wirklich macht. Und besonders in Stresssituationen. Meist braucht es erst eine Weile oder einen Moment, sich daran zu erinnern. 😃👌🏻🍀

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  2. nachdem mein erster kommentar nicht geteilt wurde halte ich mich für den zweiten anlauf etwas kürzer: Angst ist die niedrigste schwingungsebene (fühle mal hinein, ob und wie dich angst runterzieht) und liebe ist die höchste (fühle hinein, wie ein liebevolles ausschmücken der situation dich anheben kann). so leicht kannst du über dein eigenes auf und ab im leben entscheiden.

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    1. Danke für deine Ansicht. So ganz kann ich mich damit aber nicht identifizieren, weil es ein wenig so klingt, als wäre Angst ein unerwünschter Zustand. Ich bin der Meinung, dass jedes Gefühl zum bewussten Erleben des Lebens dazugehört. Ich kann die Angst spüren und dennoch in der Liebe bleiben. Ich denke, es ist die höchste Kunst, die Angst selbst liebend anzunehmen. Also muss ich sie auch zulassen und mich nicht extra dagegen entscheiden. So ist zumindest meine Auffassung. Und ich entscheide ja in dem Moment, ob ich mich in der Angst befinden will, wenn ich herausfinde, warum ich sie habe. Und sie dann auflösen.
      Immerhin wird das Leben so deutlich aufregender. Und solange ich mich der Angst nicht hingebe und aufgrund dieser unüberlegt handle, finde ich sie in gewissen Momenten gerechtfertigt 🙂

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