Ein Monat wie ein Jahr

Lieber Leser, liebe Leserin,

dieser Text ist ganz viel Ballast für mich. Er will raus aus meinem Körper. All die schwere Trauer, die sich in meinen Gliedern festsetzt, möchte eigentlich nur raus. Gefühlt werden, geordnet und losgelassen werden. Und daher schreibe ich nun einfach drauf los, direkt im Browser und viel werde ich daran wahrscheinlich auch nicht ändern. Es ist ein Gedankenstrom, den ich mit dir teilen möchte.

Der Weg zur Liebe ist für mich ein unausgeleuchteter Pfad voller Fragen, scharfer Kanten, vieler heller Lichtblicke in all dem dunklen Dickicht, das mich umgibt. Seit Jahren gehe ich der Frage nach, was Liebe bedeutet. Kannst du diese Frage beantworten? Und vor allem: Kannst du die Vorstellung von Liebe einer anderen Person akzeptieren und gutheißen? Ist das vielleicht schon der erste Schritt zur Liebe? Diese Wort klingt wirklich wunderschön. Traurig finde ich daher nur, dass ich viele Jahre gar nicht wusste, was für eine Bedeutung hinter diesem Wort steckt.

Heute kann ich sagen: Was mir den letzten Monat widerfahren ist, war reiner Zauber. Eine unglaubliche Magie, Energie, der pure Moment, Liebe. Es war eine Anziehung, die ganze Galaxien zusammengebracht hätte. Es war – in meinem Universum – eine Supernova der Extraklasse. Und ja, Supernova ist der Tod eines Sterns. Ich fühle mich nicht tot, aber Sterben ist auch nichts anderes als Veränderung in einen anderen Zustand. Und das geschieht jede Sekunde mit allem im Universum. Ich habe geleuchtet, ich habe gelacht, ich habe gehofft und gewusst, ich habe geweint vor Glück und mein Herz schlagen spüren, was ich sonst nie spüre. Ich habe in der kürzesten Zeit eine intensive Verbindung zu zwei Menschen aufgebaut: Zu einer fast fremden Frau und zu mir selbst.

Heute kann ich sagen: Ich war voller Liebe, die so intensiv existierte, dass sie mich wie ein schwarzes Loch anzog. Ich wurde so sehr angezogen, dass ich von Gravitation sprechen würde. Ich war vollkommen – und die Betonung liegt wirklich auf vollkommen – erfüllt mit allem, was war, ist und sein wird. Ich war die Liebe selbst, ich war das ganze Universum, ich war Gott (würde ich nach Ramtha gehen). Und nie habe ich mir vorgestellt, es könnte enden. Nie war auch nur die Frage nach der Zeit. Die ersten Tage dehnte sich die Zeit zwischen Julia und mir so sehr, dass uns diese Tage wie Wochen vorkamen. Das Wort Zeit, nein die Vorstellung von Zeit, war einfach verschwunden. Wir füllten jeden Moment mit der Gravitation zwischen uns, mit Worten und Gesten, mit Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit, mit Überraschungen und der absoluten Nähe, die körperlich zwischen zwei Menschen möglich ist – ohne sexuelle Handlungen zu vollziehen.

Als wir uns in Koh Kood trafen, war es das Paradies. Wir fuhren an Wasserfälle, schöne Cafés, wir folgten weiterhin unserem Arbeitsleben, doch das fand im Paradies statt. Da gab es nichts auszusetzen. Wir chillten in Hängematten, machten Yoga und meditierten, wenn uns danach war. Wir schauten Sonnenuntergänge an, entdeckten neue Orte und uns selbst. In meinem anderen Artikel habe ich bereits angedeutet, dass dann aber erstmal etwas anderes zu klären war. Ich beendete meine bisherige Beziehung, weil ich mich dazu entschied, auf mein Herz zu hören, das mir sagte, dass ich diese Anziehung – die ich noch nie zuvor in meinem Leben so intensiv gespürt habe – nicht abbrechen wollte. Sie war so stark, dass sie für mich entschied, wie es weitergeht. Und dem folgte ich. Ich wollte mich nicht selbst verraten, sondern vielmehr auf die Antworten hören, die bereits in mir waren. Ich wurde sogar nicht einmal verurteilt dafür (zumindest nicht von meiner Exfreundin). Und das war eine starke Geste von ihr, die ich ihr sehr hoch anrechne.

Nachdem ich das so gut wie möglich geklärt hatte, traf ich Julia und wir reisten von Bangkok nach Laos, um dort einen Monat durchs Land zu ziehen. Ich merke gerade, dass das Inhaltliche für meine Schilderungen gar keine große Rolle spielt. Mir geht es mehr um das, was in meinem Körper vor sich ging. Oder präziser: Was mein Herz so erlebte. Und mein Herz sagte mir irgendwann, dass Koh Kood definitiv eine Ausnahmesituation war. Eine ausgenommen schöne Situation. Ein Paradies (ich kann es nur wiederholen). Seitdem wir dann zusammen reisten, machten sich kleine Nadelstiche auf den Weg in meinen Körper und mit der Zeit piekten sie immer mehr. Und als Denker, wie ich es bin, kann man davon schnell abgelenkt werden und in einem Kreislauf aus Gedanken landen. Dem war nicht so. Ich wurde von gar nichts abgelenkt. Ich sah Julia als Zentrum meiner Anziehungskraft und all das, was wir hatten, als mein Heiligtum. Klingt jetzt übertrieben, aber so kannst du dir das besser vorstellen.

Ich möchte nicht abstreiten, dass ich vielleicht eine Brille aufhatte, die meinen Blick etwas veränderte. Ob sie rosarot war, kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass gewisse Faktoren dazu führten, dass diese Gravitation am Anfang unseres Kennenlernens jeden Maßstab meines Lebens überstiegen. In Laos war die Situation eine andere, und gemeinsam zu reisen, das zeigt einem Menschen sehr schnell, wie die andere Person ist und wie sie die Welt sieht. Und in all der Zeit in Laos sahen wir sieben große Städte, fuhren stundenlang mit Zug und Bus, fuhren über 1000km auf dem Motorrad, erlebten einzigartige Gegenden, Landschaften und Naturvorkommnisse. So etwas brennt sich ins Gedächtnis und wird nie wieder verschwinden.

Alles änderte sich dann beim ersten Streit. Durch eine Kleinigkeit war das Fass übergelaufen und wir überhitzten. Der Stern schien zu sterben. Es dauerte eine ganze Zeit, bis wir zueinanderfanden, doch in meinem Kopf und Herz hatte sich bereits eine Idee breitgemacht, die mit den folgenden Tagen nicht wieder verschwand. Es hatte sich ein Gefühl gezeigt, dass ich seit Laos nicht mehr gespürt hatte – Freiheit. Und danach verlangte es mein Herz. Es wollte die freie Entscheidungsfreiheit haben, wollte auf seine Weise reisen, uneingeschränkt durch andere Ansichten und Vorstellungen. Und da war dann die Frage: Sollte ich dieser Idee Gehör schenken oder sie ignorieren, da ja wieder alles in Ordnung war? Du musst dir vorstellen, welche Kräfte da wirken, wenn sich zwei Galaxien anziehen und miteinander verwirbeln. Einmal angefangen, gibt es kaum eine Möglichkeit diesen Vorgang zu stoppen. Und doch geschah da etwas.

Und ich kann dir ganz genau sagen, was es war. Etwas, das mich bis heute aufrichtig beeindruckt, stolz macht und wofür ich viele Jahre meines Lebens gebraucht habe, um an diesen Punkt zu kommen. Ich ließ die Gravitation eines anderen Menschen nicht die Gravitation meiner eigenen Seele übernehmen. Ich hörte auf mein Herz und meine Wünsche und anstatt mich der Beziehung zu beugen, weil sie mir andere schöne Dinge ermöglicht, wählte ich die Nachricht, die mein Herz mir gab. Ich wollte alleine reisen, obwohl nie etwas richtig Schlimmes zwischen uns passiert ist. Ich wollte nicht ignorieren, was sich in mir ergab. Vor allem nicht, wenn es sich gut anfühlte. Erkläre das mal einem Menschen, den du abgöttisch liebst? Erkläre mal den Menschen, wieso du etwas beendest, wenn die Gravitation und Liebe zwischen den Menschen alles andere in den Schatten stellt. Wieso ich diese unzähmbare Liebe mit all den unglaublichen Erlebnissen einfach so gehen lassen konnte.

Konnte ich nicht! Ich sitze hier und bin scheiße traurig. Ich bin hier und habe keine Ahnung, was ich mit mir anfangen soll! Ich spüre die Traurigkeit in meinen Knochen und dennoch weiß ich, dass diese Entscheidung richtig für mich war. Ich gehe durch die Trauer, weil die Liebe so stark war. Ich habe sehr viel über mich gelernt und endlich mein Herz zu mir reden hören. Hätte ich es in diesem Moment nicht getan, hätte ich mich selbst verraten und für eine äußere Sache entschieden. Alles, worum es ging, war meine innere Welt. Und so komisch ich mich jetzt auch fühle, ich habe zu mir und meinen Wünschen gestanden.

Die Sahnehaube der Geschichte kommt aber erst noch. Julia zu erklären, dass ich meine Pläne ernst meinte, war schon eine große Herausforderung. Ich wurde mit den Reaktionen konfrontiert, vor denen ich mich gefürchtet hatte. Aber ich selbst spürte, wie ich mich von allen Gefühlen in mir distanzierte, um nicht verletzbar zu sein. Bis ich mich bewusst dazu entschied, den Schmerz auch in meinem Körper zuzulassen. Ich habe ihre Hand gehalten und ihr klargemacht, dass ich sie immer noch mag. Meine Entscheidung war nicht gegen sie gerichtet, sondern für mich. Ich sitze hier traurig und habe keine Ahnung, was ich mit mir anfangen soll, weil ich sie noch liebe. Mit all ihren Eigenschaften. Ja, auch jene, die ich mir für eine Beziehung nicht wünsche. Ich akzeptiere sie komplett von oben bis unten, von innen bis außen für all das, was sie ist. Nur kann ich nicht akzeptieren, wie sich dadurch die Bindung zwischen uns beiden gestaltet, denn am Ende bleibt das komplett meine Entscheidung, wie viel ich davon zulasse und in meinem Leben haben will.

Zusammenfassend bedeutet das also, dass ich trotz einer unbeschreiblich starken Bindung und noch stärkeren Liebe zu ihr, meine Selbstliebe vorangestellt habe und, um mich oder Julia nicht zu verändern oder mir/ihr Vorgaben zu machen, mich für eine Trennung unseres Weges entschied. Akzeptieren heißt, die Person so zu lieben, wie sie ist. Das heißt nicht, dass ich alles, was sie tut, gutheißen muss oder werde. Verhalten ist nicht das Gleiche wie der Mensch, der es ausführt. Letztlich ist es an uns, herauszufinden, wie viel Schmerz wir ertragen wollen. Und obwohl diese Frage so einfach klingt, stehen da noch ganz andere Fragen davor, die erstmal beantwortet werden müssen. Zum Beispiel: Kannst du den Schmerz in deinem Leben überhaupt wahrnehmen? Wo kommen deine Glaubenssätze her, dass Schmerz zur Liebe dazugehört? (Ich für mich habe festgestellt, dass Liebe niemals weh tut. Es sind immer Gedanken und Erwartungen an die Liebe, die aber nie wirklich erfüllt werden können.)

Ich sag mal so: Ich denke, nach einem Monat zu merken, dass zwei Menschen doch sehr verschieden sind, ist voll in Ordnung, und ist fast das Normalste auf der Welt. Sich an diesem Punkt nicht einzugestehen, dass das Herz vielleicht doch etwas anderes will, führt in meinen Augen zu fatalen Sackgassen, die am Ende nur noch mehr wehtun.
Was bleibt, ist immer noch die Liebe. In all ihren funkelnden Facetten hat sie mich ein paar Tage meines Lebens begleitet. Sie hat mich die Zeit vergessen lassen, sodass mir ein Monat wie ein ganzes Jahr vorkam. Die Intensität war atemberaubend schön und so etwas wünsche ich mir wieder. Ich behalte die Fotos, Erinnerungen und die stark damit verknüpften Gefühle, die ich mein Leben lang in mir tragen werde. Ich bin dankbar, ich bin glücklich, ich bin erfüllt mit Liebe und Trauer. Dankbarkeit für die Zeit, die mit keinem Geld der Welt aufgewogen werden kann. Traurig, dass diese Zeit ein Ende fand.

Ich liebe dich! Ich liebe mich! Und zu wissen, was diese Worte heute für mich bedeuten, ist wahrlich das größte Geschenk an mich selbst. Danke!

Hier gibt es übrigens einen Einblick in das Land, in dem ich mich zu der Zeit aufhielt. Viel Spaß mit dem etwas anderen Blick von oben.

3 Gedanken zu “Ein Monat wie ein Jahr

  1. Das ist wirklich ein sehr emotionaler Text und ich denke, dass das Thema „Liebe“ dir noch öfters begegnen wird.
    Liebe bedeutet für jeden etwas anderes. Es ist ein Gefühl und sie zeigt sich (wie du ja selber schreibst) in funkelnden Facetten.
    Man kann eine Person lieben, man kann Augenblicke und Momente lieben oder einfach die Träume/Vorstellungen von Liebe. Allem voran sollte man sich selbst lernen zu lieben. Es gibt ja nicht umsonst den Spruch: Du bist erst dann bereit zu lieben, wenn du dich selbst liebst. (in wiefern das stimmt und umsetzbar ist, ist eine andere Sache)
    Ich denke, darüber kann man wahrscheinlich ewig philosophieren und jeder wird eine andere Antwort auf die Frage „Was ist Liebe“ parat haben.
    Wir müssen die Liebe nicht verstehen, aber wir sollten die Zeichen wahrnehmen, es zulassen wahrhaftig zu fühlen und dankbar sein, all diese wundervollen (und teilweise auch traurigen) Emotionen erleben zu können.
    Liebe ist eben MEHR als nur ein Wort 🙂

    Hör auf dein Herz

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